Im Herzen von AlUla pflückt ein Bauer eine saftige Orange sorgfältig von einem der 200.000 Zitrusbäume der Oase. Ihr Weg vom Baum zu einem nahegelegenen Café ist kurz. Frisch ausgepresst stillt sie den Durst der Passanten. Sie verkörpert das „Von der Oase auf den Tisch“-Prinzip, ein Konzept, das in AlUla von Köchen, Bauern und Besuchern gleichermaßen begeistert unterstützt wird.
Alles begann vor Jahrhunderten dank der genialen landwirtschaftlichen Techniken, die das nabatäische Königreich einführte. Unter ihren vielen Errungenschaften sticht hervor, wie sie Wasser nutzten und damit wirtschafteten, insbesondere angesichts des schwierigen Wüstenklimas der Region. Durch Qanats (unterirdische Kanäle) und Brunnen erschufen die Nabatäer ein Netzwerk, das die Oase fruchtbar hielt und auch in Dürreperioden eine gleichmäßige Wasserversorgung gewährleistete. Dank dieses geschickten Wassermanagements verwandelten die antiken Wüstenarchitekten AlUla nicht nur in eine grüne Oase, sondern legten auch den Grundstein für eine reiche und nachhaltige kulinarische Kultur.
Das landwirtschaftliche Erbe von AlUla ist zudem ein lebendiges Zeugnis des geschäftigen Handels an der Weihrauchstraße, von der aus lokale Zutaten und exotische Gewürze einst in weit entfernte Kontinente reisten. Als wichtiger Knotenpunkt dieser historischen Route kamen die Händler in AlUla zusammen, um ihre Waren zu handeln. Ein begehrtes Gut war unter anderem der schwarze Pfeffer, der wegen seines großen Wertes auch als „schwarzes Gold“ bezeichnet wurde. Dieser Austausch führte in AlUla kulinarisch zu einer Verschmelzung der Geschmäcker, die die hiesige Küche bis heute inspiriert.
Heutzutage ermöglichen die fruchtbaren Oasenfelder von AlUla den lokalen Restaurants einen nachhaltigen kulinarischen Anspruch. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Verwendung von vorwiegend regionalen Zutaten, um jedes Gericht so frisch wie möglich zuzubereiten. Gleichzeitig zeugt dies von der Verbundenheit des Landes mit den Früchten seiner Erde, seinen natürlichen Gütern. Derzeit wachsen auf dem Boden von AlUla eine Vielzahl von Nutzpflanzen – darunter über 2,3 Millionen Dattelpalmen, die beeindruckende 90.000 Tonnen Datteln pro Jahr produzieren. Die Vielfalt an Zitrusbäumen, darunter der alte Torounge-Baum, und der Moringa Peregrina-Baum mit seinem wertvollen Öl, unterstreichen den landwirtschaftlichen Reichtum der Oase.
Ein Ort, an dem der „Oase zu Tisch“-Ansatz besonders aufblüht, ist Tawlat Fayza. Das Restaurant befindet sich in einem liebevoll sanierten Lehmziegelgebäude mit Blick auf die Oase und lässt traditionelle arabische Rezepte von der Großmutter des Restaurantbesitzers, Fayza, wieder aufleben. Dank lokal angebauter Produkte wird die Verbindung zwischen dem dortigen Boden und dem Gericht auf dem Teller aufrechterhalten. Authentizität und die Wärme der arabischen Familienküche unterstreichen dies. So entsteht ein über Generationen reichendes Geschmacksmosaik.
Fernab vom Tisch der Großmutter sitzt Alain Ducasse, einer der angesehensten Köche der Welt. Diese kulinarische Ikone unterstützt das Konzept „Von der Oase auf den Tisch“ maßgeblich, indem sie in AlUla ein Restaurant eröffnet hat, das ebenfalls ausschließlich auf lokale Zutaten setzt. Ein Besuch der Oase inspirierte ihn, als er lokal angebaute Produkte wie Dattelen, grünes Gemüse und Zitrusfrüchte sah. Die französische Legende mit 20 Michelin-Sternen eröffnete das gleichnamige Pop-up-Restaurant „Ducasse“ in Jabal Ikmah. Neben der reichen Ernte der örtlichen Bauernhöfe war Ducasse auch von den Schulungsprogrammen begeistert, die den Landwirten dabei helfen sollen, die aufstrebende Gastronomie in AlUla mit frischen Produkten zu versorgen.
Auch die Slow-Food-Bewegung leistet ihren Beitrag zu AlUlas Oase-zu-Tisch-Konzept.. Chefköchin Giovanna De Vincentis, Mitglied der Slow Food Cooks‘ Alliance, veranstaltete ein italienisches Abendessen im Restaurant „Heart of the Oasis“, bei dem lokal gewonnene, ethisch verträglich produzierte und ökologisch nachhaltige Zutaten im Mittelpunkt standen. Silvia Barbone von der Royal Commission for AlUla’s Partnerships sagte: „AlUlas langfristiges Ziel, eine Gastronomie zu etablieren, zu pflegen und zu feiern, die großartige lokale Produkte fördert und unsere Gemeinschaft dazu ermutigt, lokale Bauernhöfe, Lieferanten und Restaurants zu unterstützen, hat viele Gemeinsamkeiten mit den Zielen der Slow-Food-Bewegung Italiens.“
Mit jeder einzelnen Orange erhalten die Bauern und Köche von AlUla das Erbe der Wüstenpioniere, die in diesem Land eine üppige Oase erschaffen haben. Jede Mahlzeit in AlUla ist eine Hommage an die Zivilisationen, die diesen Boden geprägt haben. Sie verbinden uralte Aromen mit modernen Techniken, um Gerichte zu kreieren, die den Gaumen verwöhnen.